Betrachtungen 2020
Die gute alte Zeit – war 2019.
Oder etwa der Sommer 2020?
Es scheint, als sei das unbeschwerte Leben wieder zurück.
Zumindest im Freien.
Zumindest für kurze Zeit.
Restaurants, Cafés, Bars & Biergärten – die Außengastronomie bringt Geliebtes zurück.
Aber nur für einen Moment, befürchte ich.
Trotz niedriger Infektionszahlen ist das Virus nicht weg.
Und vielen steckt der Lockdown von April bis Mai noch in den Knochen.
Auch bei uns ist das Geschäft zurückgegangen.
Der Tourismus leidet – und wir mit ihm.
Was nutzt eine poetische Welt, wenn man sie nicht besuchen, betreten, berühren darf?
Ich nutze die Zeit, um meinen bereits in 2017 begonnenen Roman weiterzuschreiben.
Er bedarf großer Recherche, geht es ja um nichts Geringeres als um die Menschheitsgeschichte.
Auch nutze ich die Zeit, um durch das Land zu fahren – als Schriftsteller, als Beobachter.
Ich besuche Orte, betrachte die Menschen und das Leben.
Wir müssen diese Momente festhalten.
Denn wir wissen nicht, was der nächste Augenblick bringen mag.
Auch in den Lockdown-Monaten war ich unterwegs, bin im Auto durch das Ländle gezogen.
Habe Geisterstädte und leere Gesichter gesehen.
Alles wirkte wie unter Wasser.
Entschleunigt aus Angst.
Für 2 Städte habe ich mit meinen Gedankensprüchen Aktionen gemacht – um den lokalen Handel zu unterstützen.
Klar, der war schon vor Corona deutlich angeschlagen.
Trotzdem mag ich mir eine Stadt ohne Geschäfte nicht vorstellen.
Der Handel muss mit der Zeit gehen, schon richtig.
Neue Erlebnis-, Präsentations- und Beratungskonzepte müssen her.
Nur Waren in Schaufenster und Regale zu stellen, reicht schon lange nicht mehr.
Doch – wer hat im Moment überhaupt die Kraft dazu?
Und das Geld?
Schnell werden Internetshops aus dem virtuellen Boden gestampft.
Und Social Media boomt – Kunden halten, Menschen erreichen, so das Motto.
Staat und Bürokratie kommen den neuen Möglichkeiten nicht hinterher.
Zu viel wird blockiert und unterschätzt.
Und manches ist gar nicht gewollt.
So mancher Politiker und so manche Behörde begreifen erst langsam, was es heißt, Solo-Selbstständiger oder Kleinunternehmer zu sein.
Und wie deren Lebenswirklichkeit tatsächlich aussieht.
Wer nur in Gesetzen, Paragrafen, Verordnungen und Formularen denkt, der kann einen kreativen Beruf und dessen Erfordernisse nicht nachvollziehen.
Zudem gelten große Mittelständler und Konzerne als Modellbild für die Sicht des Staates auf Unternehmen.
Doch Solo-Selbständige und Kleinunternehmer haben keine Verwaltungsangestellten, Buchhalter, Anwälte, Wirtschaftsprüfer und scharenweise Berater, die jedes Detail, jede Tücke staatlicher Anforderungen kennen.
Und dennoch leisten sich Konzerne mehr „Fehltritte“ als die Kleinen – weil Letztere gar nicht so weit denken und auch, weil ihnen schlicht die Möglichkeiten dazu fehlen.
Viele Selbstständige und Kleinunternehmer agieren aus einer Bestimmung heraus, nicht aus Geldgier.
Und manche meinen, Unternehmen, die schon angeschlagen oder gar kaum existenzfähig sind, hätten kein Recht, am Markt zu existieren.
Ist das wirklich richtig?
Dass ein Business nicht den notwendigen Umsatz/Gewinn einbringt, heißt noch lange nicht, dass das Engagement wertlos ist.
Ein Künstler, welcher von der Hand in den Mund lebt, bereichert die Gesellschaft vielleicht mehr als ein Top-Manager.
Da aber alles in unserem Dasein mittlerweile durchökonomisiert ist, wird sich nichts ändern.
Egal, welche Regierung an der Macht ist.
Wird der Staat behutsamer und großzügiger mit den Kleinen umgehen?
Oder wird – aufgrund der massiven Ausgabe und fehlenden Steuereinnahmen durch Corona – die Jagd nach Steuern noch schärfer?
Noch gnadenloser?
Es ist gut, dass Finanzbehörden ihre Pflicht tun, zweifellos.
Die Frage ist dabei stets – wie man es tut.
So gibt es – wie überall im Leben – zugeneigte, verständige und sanfte Beamte.
Und eben solche, die ihre Behördenmacht bis aufs Letzte nutzen.
Dennoch bewundere ich Finanzbeamte, dazu muss man geboren sein.
Nun,
ich befürchte, dass es zu einer 2., wenn nicht gar auch zu einer 3. Welle kommen wird.
Ich befürchte, dass noch mehr Solo-Selbstständige, Kleinunternehmer, Künstler und Kulturschaffende untergehen werden.
Ich befürchte, dass der Staat sich schwertun wird, mit der Krise fertigzuwerden.
Und ich hoffe ebenso auf einen Impfstoff – befürchte aber, dass die Organisation um dessen Verteilung und Verabreichung schwierig werden wird.
Wer wird wann geimpft? – das wird zur politischen und gesellschaftlichen Hyper-Herausforderung.
„Sie sind verpflichtet …“ – das ist der Satz, den ich nunmehr seit über 35 Jahren als Selbstständiger und Kleinunternehmer höre.
Nun ist der Staat in der Pflicht.
Versagt er, werden letztlich wir – Du und ich – darunter leiden.
Man sollte eigentlich nie diejenigen Entscheidungen mit dieser Tragweite treffen lassen, die von den Konsequenzen nicht selbst betroffen sind.
Oder macht sie das freier? Weiser?
Meine Exkursionen durch das Land waren aufschlussreich – ich habe viel wahrgenommen und erkannt, was in meine Aphorismen und Texte einfließen wird.
Schön, dass Sie daran teilhaben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ihr Oliver W. Schwarzmann