Sensationsfund in Pforzen: Wiege des aufrechten Gangs?

 

Bayern vor 11 Millionen Jahren

Wer an Bayern denkt, denkt an vieles: Berge, Natur, Weißwurst, Bier, Geselligkeit und Oktoberfest.
Ich erinnere mich noch gut an die vielen Fahrten zur Oma nach München, der Geburts- und Jugendstadt meines Vaters, welcher der Liebe wegen 1960 ins Schwabenland emigrierte.
Die Weltmetropole ist nicht nur familiär bedingt meine zweite Heimat, nach wie vor besuche ich die Stadt und ihre malerische Umgebung gerne und genieße genau das, was ich Eingangs beschrieben habe.
Auch meine Arbeiten als Dichter für die deutschen UNESCO-Welterbestätten führen mich immer wieder in die bayerischen Regionen.
Und wer nun an Bayern denkt, denkt neuerdings auch an einen Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. 

 

Hot Spot in der Urmenschenforschung

Denn der Freistaat ist mittlerweile zu einem Hot Spot der Evolutionsforschung geworden – wegen eines aufsehenerregenden Funds in Pforzen, einem beschaulichen Ort im Ostallgäu, unweit von Kaufbeuren.
Was sofort mein Interesse weckte, als ich in 2019/2020 davon hörte, schließlich spüre ich seit Jahren für ein Buchprojekt den Anfängen des Menschen nach, von Afrika bis zu den Höhlen der Schwäbischen Alb.  

Und jetzt nach Pforzen.
Dort traten Knochen von „Udo“ in der Tongrube Hammerschmiede zu Tage, in über 11 Millionen Jahren alten Erdschichten und einem Wesen gehörend, das als Bindeglied zwischen Mensch und Menschenaffe bezeichnet werden könnte.
Denn „Danuvius guggenmosi“, so seine wissenschaftliche Bezeichnung, ist ein neuer Hominide und reiht sich ein in unsere lange Ahnenreihe.

Seinen Spitznamen „Udo“ verdankt er übrigens dem Forscherteam um Dr. Prof. Dr. Madelaine Böhme, die seine Überreste am 17. Mai 2016 entdeckte, just am 70. Geburtstag von Udo Lindenberg.

 

Der Beginn des Wegs zum Menschen

Das Besondere am Pforzener Udo ist, dass er bereits vor sehr langer Zeit aufrecht gehen konnte – eine wichtige Eigenschaft auf dem Weg zur Menschwerdung.
Zwar fühlte sich der Menschenaffe wie seine Vettern noch recht wohl in den Wipfeln der Bäume, vermochte es aber eben schon, sich auf zwei Beinen fortzubewegen.
Und das macht ihn zum Konkurrenten der urzeitlichen Hominiden in Afrika und der These, die Entwicklung zum Menschen habe sich nur dort vollzogen.

Mittlerweile ist auch aus der einstigen Vorstellung, die Menschheitsgeschichte gleiche einem Stammbaum, viel mehr das Bild eines breit gewachsenen Buschs geworden.
Man nimmt an, dass es parallele Entwicklungen gab, dass sogar verschiedene Menschenformen zur gleichen Zeit existiert haben könnten, vom modernen Menschen und dem Neandertaler weiß man es.

Das ist natürlich trotzdem alles vage, denn frühmenschliche Überreste sind äußerst selten – die meisten stammen aus Afrika.
Und nunmehr aus Bayern.

 

Eine faszinierende Reise

Meine Recherchen führten mich auch nach Pforzen, um ein Gefühl zu bekommen, wie es denn Udo so im prähistorischen Bayern ergangen sein könnte.
Europa glich zu jener Zeit mehr einem Kontinent mit ausgedehnten Urwäldern, fern unserer heutigen Welt, dennoch ist der Blick vor Ort eine wesentliche Inspiration, um sich in die Welt dieses wundersamen Menschenaffen einzufühlen.
Er war etwa 1 Meter groß und wog starke 30 Kilo; allein war er nicht, denn die Funde stammen von 5 Individuen.
Was er wohl einst gedacht haben mag?, fragte ich mich, und ob er sich seines aufrechten Gangs bewusst war?

Wie auch immer – er und seine Mitgeschöpfe legten den Grundstein für einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung zum Homo sapiens.
Und wie habe ich zu dieser Fähigkeit einmal bemerkt: „Der aufrechte Gang des Menschen ist nicht nur ein Kunststück der Evolution. Er ist auch Verpflichtung.“
Wir sollten diesem Vermächtnis gerecht werden.   

Pforzen wird jedenfalls ihrem Udo gerecht und hat in 2020 eine eindrucksvolle Wanderausstellung – wörtlich passend – auf die Beine gestellt.   
Die ich mir eigentlich nicht entgehen lassen wollte, doch leider kam Corona dazwischen und damit eine Unterbrechung der Einblicke in die weit zurückliegenden Anfänge unserer Geschichte.  
Was ihrer Faszination keinen Abbruch tut – auch dank der virtuellen Ausstellung für den neuen Urahn

Doch sobald sich die Türen zur Ausstellung wieder öffnen, werde ich sie besuchen, um Udos Spuren zu folgen, um durch die liebliche Gegend zu streifen, an der Wertach entlang, und dort werde ich mir erneut vorstellen, wie es einst gewesen sein muss – in Bayern vor 11 Millionen Jahren.    

Euer OWS

Bilder & Infos bekam ich dankenswerter Weise von der Verwaltungsgemeinschaft Pforzen

Hier noch nützliche Links:
Stadt Pforzen
Virtuelle Ausstellung für „Udo“